Computertomographie: Expertenmeiningen

Wir haben mit Enrico Ursella gesprochen, Leiter des Advanced Research Management bei MiCROTEC und einer der Pioniere hinter CT Log. Enrico war von Anfang an maßgeblich daran beteiligt, die CT-Technologie aus dem Labor ins Sägewerk zu bringen und sie zu einem leistungsstarken Werkzeug für die Holzindustrie zu machen.
In der heutigen Marktsituation, in der die Rohstoffkosten hoch und Effizienz entscheidend sind, ist Computertomographie relevanter denn je. Die Möglichkeit, in jeden Stamm hineinzusehen, bevor er eingeschnitten wird, erlaubt es Sägewerken, den Ertrag zu maximieren, bessere Entscheidungen zu treffen und die Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Dabei zählt jeder Prozentpunkt an Optimierung.
In diesem Interview spricht Enrico über die grundlegenden Unterschiede zwischen CT und konventionellen Röntgensystemen, die Rolle der künstlichen Intelligenz und warum CT zu einem unverzichtbaren Bestandteil vollständig optimierter, KI-gesteuerter Sägewerksprozesse wird.
CT-Scanning ist die genaueste Methode zur Stammoptimierung. Was macht die Technologie so grundlegend anders als herkömmliche Röntgensysteme?
Beide Technologien nutzen zwar Röntgenstrahlen, unterscheiden sich aber grundlegend darin, wie sie Informationen erfassen und verarbeiten.
Man kann sich ein traditionelles Röntgensystem wie ein einzelnes Foto vorstellen. Es liefert ein zweidimensionales Bild des Stammes, im Wesentlichen einen Schatten. Ein CT-Scanner dagegen nimmt Hunderte von Röntgenbildern aus einer vollen 360-Grad-Drehung um den Stamm auf und erstellt daraus ein vollständiges 3D-Modell mit allen verborgenen Details im Inneren. Genau das macht diese Technologie so revolutionär. In der Medizin sind wir längst vom einfachen Röntgen zu CT-Scans und MRT übergegangen, weil ein 2D-Schatten für eine präzise Diagnose oft nicht ausreicht. Ein CT-Scan liefert den Ärztinnen und Ärzten die detaillierte innere Landkarte, die sie brauchen, um eine Operation korrekt zu planen und teure oder gefährliche Fehler zu vermeiden. Dasselbe Prinzip gilt auch für Flughafensicherheit und andere sicherheitskritische Anwendungen.
In der Holzindustrie ermöglicht dieses Detailniveau eine deutlich höhere Präzision. So lassen sich nicht nur die „Astigkeit“ eines Stammes exakt bestimmen und klassifizieren, sondern auch Länge, Durchmesser und Position jedes einzelnen Astes – bis hin zu dem Punkt, an dem er von gesund zu tot übergeht. Diese Informationsfülle erlaubt eine bessere Sortierung, Optimierung und Rückverfolgbarkeit sowie Verbesserungen in jedem Produktionsschritt. Während es für Sägewerke auch Röntgenscanner mit einer oder zwei Projektionen gibt, ist der CT Log von MiCROTEC der einzige echte Computertomograph.

Warum habt ihr begonnen, einen CT-Scanner für Holzstämme zu entwickeln?
Ursprünglich war die Idee lediglich, ein Laborsystem für das Training unserer eigenen Systeme zu schaffen. Schon vor zwanzig Jahren war uns klar, dass verlässliche Trainingsdaten entscheidend sind. Dieser Scanner ist bis heute am FVA in Freiburg im Einsatz. Als der erste CT Log fertiggestellt war, erkannten wir, dass es gar nicht so kompliziert war, ihn direkt im Sägewerk einsetzbar zu machen. Zu diesem Zeitpunkt verfügte fast jedes Krankenhaus über ein Gerät, ebenso zunehmend Flughäfen und weitere Industrien. Dieser Trend hat sich seither rasant beschleunigt. Immer mehr Anwendungen betrachten die Tomographie als Investition mit schneller Amortisation, da sie präzise, verlässliche und hochdetaillierte Daten liefert.
Heute optimieren viele Sägewerke ihre Prozesse anhand der Informationen, die der CT Log von jedem einzelnen Stamm liefert. Dadurch konnten sie Effizienz, Produktionsplanung, die Entwicklung neuer Produkte und vieles mehr deutlich verbessern. Das erfasste Detailniveau macht CT-Log-Scans zudem zu einem wertvollen Werkzeug für wissenschaftliche Analysen auf Basis riesiger Datenmengen. So haben wir kürzlich gemeinsam mit INRAE und Siat eine Untersuchung zur Holzqualität veröffentlicht, die auf Scans von fast einer Million Stämmen basiert.
Diese enorme Datenbank hilft uns auch dabei, all unsere anderen Scanner weiterzuentwickeln. Dank neuer Methoden der künstlichen Intelligenz lässt sich die Leistung jedes Systems drastisch steigern – vorausgesetzt, man verfügt über einen ausreichend großen Datensatz zum Trainieren. CT Log liefert uns dafür eine große Menge hochwertiger Daten.
Wie hat künstliche Intelligenz den Einsatz der industriellen Tomographie verändert?
Künstliche Intelligenz hat die Nutzung verfügbarer Daten enorm verbessert. Seit über zehn Jahren setzen wir KI sowohl für die Analyse der CT Log-Bilder ein als auch dafür, diese Bilder zu nutzen, um unsere anderen Messsysteme zu verbessern. In der künstlichen Intelligenz sind zwei Dinge entscheidend: eine große Menge an Daten und eine korrekte „Ground Truth“. Man kann einem Kind nichts beibringen, indem man es ständig mit widersprüchlichen Informationen verwirrt. Es läuft Gefahr, unklare Konzepte zu übernehmen und inkohärente Verhaltensweisen nachzuahmen, und genauso ist es bei der KI. Wir wissen alle, dass KI manchmal „halluziniert“, also Dinge erfindet, die plausibel, aber nicht korrekt sind. Aus diesem Grund sind CT Log-Bilder für uns unverzichtbar. Sie liefern reale, präzise Daten für das korrekte Training neuronaler Netze und aller unserer Systeme, also die richtige Ground Truth.
Man hört manchmal, dass eine Million Bilder ausreicht, um ein KI-Modell zu trainieren. Das stimmt teilweise für Sprachmodelle wie ChatGPT; dort lernen sie ähnlich wie ein Mensch, der ohne Sprachkenntnisse in ein fremdes Land zieht und die Sprache im Alltag von den Einheimischen aufnimmt. Wenn wir jedoch eine neue Bedienkraft in ein Sägewerk bringen, ohne dass jemand erklärt, wie die verschiedenen Holzqualitäten definiert sind, können wir dann wirklich erwarten, dass sie die Vorschriften und Sortierregeln von allein versteht?
CT Log ist so präzise, dass wir in unserer letzten wissenschaftlichen Veröffentlichung gemeinsam mit INRAE und Siat eine Analyse der Holzqualität auf Grundlage von Scans von fast einer Million Stämmen durchgeführt haben, basierend auf realen CT-Messungen. Millionen von Stämmen zu erfassen, ohne verlässliche Daten über deren tatsächliche Qualität zu haben, birgt das Risiko, Millionen von unzuverlässigen Datenpunkten zu erzeugen. Generative KI kann viele kreative Anwendungen haben, bringt aber auch die Gefahr falscher Entscheidungen mit sich. Nur mit echtem Wissen kann KI auf der Realität basierend trainiert werden.Viele betrachten CT noch als zu komplex oder überdimensioniert.
Viele sehen CT immer noch als zu komplex oder überentwickelt. Was würden Sie jenen sagen, die denken, dass die Technologie zu fortschrittlich oder schwer in einem Sägewerk umzusetzen ist?
Es stimmt, dass die zugrunde liegende Technologie komplex ist, ihr eigentlicher Wert liegt jedoch darin, unsere Arbeit zu vereinfachen und zu verbessern. Ein Smartphone enthält eine Technologie, die vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre, und doch tragen wir heute alle eines in der Tasche. Ein Beispiel sind Flughäfen. Jahrelang nutzte die Sicherheit herkömmliche 2D-Röntgenscanner für Handgepäck. Sie waren einfach, aber ineffizient. Heute steigen Flughäfen weltweit auf CT-Scanner um. Die Technologie dahinter ist äußerst komplex, doch das Ergebnis ist ein einfacherer, effizienterer Prozess mit Vorteilen für alle. Gleichzeitig muss das Personal die technischen Details der CT-Technologie nicht beherrschen, da die Bedienung einfach ist
Mit Blick in die Zukunft: Welche Rolle wird CT in der Entwicklung voll optimierter, KI-gestützter Sägewerksbetriebe spielen?
CT Log ist das zentrale Nervensystem des voll optimierten, KI-gestützten Sägewerks. Der Erfolg eines Sägewerks hängt von einer Mischung aus Produkten, Kunden und Preisen ab, die bislang durch teure menschliche Erfahrung gesteuert wird. Die Gewinnmargen sind oft gering, und eine einzige falsche Entscheidung, sei es beim falschen Einschnitt eines Stammes oder bei der Wahl des Produktionsmixes, kann teuer werden.
Hier verändert KI alles. Wir bewegen uns auf eine Zukunft zu, in der ein intelligenter KI-Assistent jede Entscheidung unterstützt. Diese KI wird unmittelbare Entscheidungen leiten, zum Beispiel wie ein Stamm für den maximalen Wert eingeschnitten werden soll. Sie wird bei den täglichen Abläufen helfen, indem sie vorschlägt, welche Stammlager für die aktuelle Produktion genutzt werden sollten. Und sie wird sogar bei der langfristigen Strategie unterstützen, indem sie neue, rentable Produkte auf Grundlage des vorhandenen Rohmaterials identifiziert.
Damit das funktioniert, braucht KI präzise Informationen. Genau deshalb ist unser CT Log so grundlegend. Er liefert die detaillierten Qualitätsdaten für jedes potenzielle Brett. Diese werden mit unserem MiCRTOTEC Connect Fingerprint kombiniert, der jedes Stück durch die gesamte Produktionslinie hindurch verfolgt, sowie mit unserer Mill Manager Datenbank, die die gesamte Historie jedes Stückes speichert und analysiert. Zusammen stellen diese Werkzeuge die umfassenden Echtzeitdaten bereit, die eine KI benötigt, um einen komplexen Betrieb in ein schlankes, profitables System zu verwandeln.